Werkstoffe für Höchstgeschwindigkeiten: Die Materialwissenschaft im Dienst der Formel 1

Materials in Formula One
4. Juli 2024
Werkstoffe für Höchstgeschwindigkeiten: Die Materialwissenschaft im Dienst der Formel 1

Das erste Grand-Prix-Rennen auf britischem Boden fand 1926 in Brooklands statt. Heute finden Rennsportliebhaber heulende Motoren, quietschende Reifen und Nervenkitzel in Silverstone, wo der Große Preis von Großbritannien seit 1948 einmal jährlich ausgetragen wird. In einem Spektakel, das die Spitzenleistungen der Motorsporttechnik, des menschlichen Könnens und der Materialienwissenschaft demonstriert, werden dieses Wochenende die modernsten Formel-1-Rennwagen aller Zeiten über den legendären Silverstone Circuit düsen. Dabei helfen innovative Werkstoffe dabei, technische und sportliche Leistungsgrenzen zu überwinden.

Während Lando Norris und Max Verstappen ihren Kampf um die Formel-1-Spitze auf der Heimstrecke von Norris hoffentlich ohne weiteren Crash fortsetzen, werfen wir einen Blick auf die Wunderwerkstoffe, aus denen ihre Autos bestehen.

 

Bausteine eines Formel-1-Wagens:

Kohlefaser-Verbundwerkstoffe (CFK)

Im Kern jedes Formel-1-Rennwagens steckt ein Material, das stärker ist als Stahl und leichter als Aluminium. Als Teil von komplexen Verbundwerkstoffen bildet es die Grundlage von Fahrwerk und Karosserie. Doch es macht das Fahrzeug nicht nur schneller und wartungsärmer, sondern auch sicherer für seinen Piloten.

  • Grundwerkstoff der F1-Autokonstruktion
  • Außergewöhnliches Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht für rasantes Beschleunigen, Kurvenfahren und Bremsen
  • Wichtiger Schutz bei Unfällen durch Absorption und Ableitung der kinetischen Energie

Graphen

Während Carbonfasern im Motorsport die Nase buchstäblich vorn haben, steht die materialwissenschaftliche Entwicklung in diesem Bereich niemals still. Graphen könnte die Rennwagentechnik schon bald revolutionieren, auch wenn gesetzliche Auflagen, Kostennachteile und Produktionsschwierigkeiten seine breitere Anwendung bisher verhindert haben.

  • Einlagiger Kohlenstoff mit enormem Anwendungspotenzial
  • Gilt als möglicher Schlüssel zu verbesserter Reifenhaftung, Aerodynamik und Batterietechnologie

Titanlegierungen

Nicht nur bei der Konstruktion von Karosserie und Fahrgestell spielt die Materialwissenschaft eine Rolle. Abgesehen von aerodynamischen Aspekten und Gewichtseinsparungen ist der Motor das wichtigste Kriterium für die Leistung eines F1-Fahrzeugs. Ein alter Werbeslogan der Formel 1 lautete „We sell noise!“ Wenn es um hohe Drehzahlen und röhrende Motoren geht, sind Titanlegierungen nicht wegzudenken.

  • Verwendet für kritische Motorkomponenten wie Pleuelstangen und Ventile
  • Äußerst fest und hitzebeständig
  • Sorgt für hohe Drehzahlen und lässt leistungsstarke Motoren ordentlich aufheulen

Innovative Keramikbeschichtungen

Für viele Komponenten kommen außerdem Keramikwerkstoffe zum Einsatz, die dazu beitragen, dass der Motor auch unter extremen Bedingungen nicht überhitzt.

  • Verwendung für Kolben und Zylinder, um Reibung, Verschleiß und Wärmeübertragung zu reduzieren
  • Schutz des Motors vor extremen Temperaturen und Erhöhung der Lebensdauer von Bauteilen

Fahrersicherheit

„Motorsport ist gefährlich“ steht auf jeder Eintrittskarte für Motorsportveranstaltungen. Die unablässige Suche nach Sicherheitsverbesserungen hat zu bemerkenswerten Fortschritten bei den eingesetzten Materialien im Fahrzeug selbst und auf der Rennstrecke geführt. Aramidfasern wie Kevlar und Zylon sorgen für Festigkeit und Hitzebeständigkeit, während energieabsorbierende Schaumstoffe und Wabenstrukturen den Fahrer bei einem Unfall oder Brand schützen. Einer der spektakulärsten Unfälle in der Geschichte der Formel 1 ereignete sich 2020 beim Großen Preis von Bahrain. Als Romain Grosjean schon kurz nach dem Start des Rennens ungebremst in die Leitplanke raste, ging sein Auto unmittelbar in Flammen auf. Trotzdem wurde der Franzose dank der Materialien, aus denen sein Anzug, Helm und das Cockpit gefertigt waren, bei dem Inferno jedoch nur leicht verletzt.
 

  • Material für Fahreranzüge, Helme und Cockpitschutzeinrichtungen
  • Äußerst fest und hitzebeständig, mit hoher Schutzwirkung bei Unfällen und Bränden
  • Strategisch im Fahrgestell platziert, um Aufprallenergie abzubauen
  • Wirkung als Stoßdämpfer, um den Aufprall für den Fahrer und das Verletzungsrisiko zu minimieren

Siliciumdioxid und Polymere

Die Reifentechnik ist ein weiterer Bereich, den Formel-1-Konstrukteure kontinuierlich weiterentwickeln und verbessern. Dabei bleibt die Suche nach nachhaltigen Produkten eine zentrale Aufgabe. Darum testen Materialwissenschaftler unter anderem umweltfreundliche Werkstoffe wie Naturkautschuk und recycelte Fasern, um die ökologischen Auswirkungen der Reifenproduktion zu verringern.

  • Siliciumdioxid verbessert die Haftung bei Nässe.
  • Polymere weisen die nötige Elastizität auf, um den enormen Kräften bei Kurvenfahrten und Bremsvorgängen standzuhalten.

Formel Eins: Paradebeispiel für Materialinnovation

Wenn die Rennwagen dieses Wochenende in Silverstone wieder einmal über den Asphalt jagen, lohnt es sich darüber nachzudenken, dass in all den schnittigen Karosserien und röhrenden Motoren eine Menge technischer Erfindungsreichtum steckt. Die Materialien, aus denen diese Fahrzeuge bestehen, ermöglichen es den Piloten, an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu gehen, und machen den Motorsport gleichzeitig sicherer als je zuvor.

Die Formel 1 zeigt die Bedeutung der Materialwissenschaft für den technischen und gesellschaftlichen Fortschritt. Von Kohlefasern bis zum Zukunftswerkstoff Graphen helfen uns innovative Materialien dabei, neue Spitzenleistungen zu erzielen. Die im Motorsport verwendeten Werkstoffe sind die leisen Verbündeten der Fahrer in diesem perfekten Zusammenspiel aus Wissenschaft und Geschwindigkeit.

 

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